Dieses Risiko

Schon seltsam, dass man als Person, die versucht sich aus der sozialen Hängematte zu hieven eher zum liegen bleiben animiert wird, da das Risiko zu groß ist raus zu fallen, zu merken, dass man doch (noch) nicht alleine stehen kann und die Hängematte dann aber womöglich auf ewig weg ist. Ich verstehe schon, dass ich da ein komplexer, gesonderter Fall bin. Denn die meisten Menschen, die von Sozialhilfe oder Pensionen leben sind froh, endlich diesen Status erkämpft zu haben und sind eher genervt, wenn man sie zu Gutachten sendet. Ich hingegen hatte schon 2014 ein Erstgespräch gesucht zum Thema „Wiedereinstieg in die Berufswelt“ und sah in große, erschrockene Augen, als ich sagte: „Ich will wieder arbeiten!“ „DAS hat mir hier noch niemand gesagt.“ Entgegnete mir der Berater und lobte meinen Elan. Er habe schon Menschen gesehen, die wesentlich weniger mitgemacht hatten als ich, die aber dennoch nicht mal daran denken, arbeiten zu gehen, obwohl sie könnten und sei positiv überrascht von einem Menschen wie mir, der mit Müh und Not unbedingt selbst die Knie durchstrecken und wieder stehen will.
Unser Sozialsystem ist ein Segen für all jene, die auf diese Unterstützung angewiesen sind. Jedoch ist es auch sehr schwer bei „Sonderfällen“, hier eine Lösung zu bekommen. Ich hatte alles zu Recht gelegt und durch organisiert, kam mit all meinen Unterlagen und verließ immer nur enttäuscht die Ämter.
Wie soll ein Mensch nach langer Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit probieren können, ob er womöglich wieder voll belastbar ist, wenn er es nicht ausprobieren kann.
Es werden für paar Stunden Gutachten und Gespräche geführt, um eine „Arbeitsunfähigkeit“ oder eben „Arbeitsfähigkeit“ ausgestellt zu bekommen. Aber solche Tests, vielleicht sogar an einem Tag, an dem ich stabil, gut gelaunt und scharfsinnig drauf bin, ist kein Maßstab für die Frage:
Schafft es dieser Mensch jeden Morgen, 5 Tage die Woche aufzustehen, verlässlich zur Arbeit zu gehen und dort so zu funktionieren, wie man es von ihm verlangt? Schafft es dieser Mensch durch eine Ausbildung- sei sie noch so kurz und durch Prüfungen? Schafft er auch die Langzeitbelastung, die ein Job mit sich bringt, Dauerhaft die sozialen Kontakte, den Stress, die Rolle als untergeordneter Mitarbeiter, der vielleicht sogar mal schroff vom Chef zu Recht gewiesen wird? Und noch tausend solcher Fragen.
Ich weiß es eben nicht.
Ich weiß, dass ich wunderbar, vielleicht sogar überdurchschnittlich gut funktionieren kann, so wie bei der Eventfirma, wo ich bei Wind und Wetter, zu jeder Tages- und Nachtzeit und in jeder Laune, ja sogar krank arbeiten war; es immer hin schaffte, selbst wenn ich manchmal bis zur Ankunft am Auftragsort zweifelte, ob ich es schaffen würde, die Anfahrt zu Ende zu führen und nicht verzweifelt Heim kehren würde und  mich reuig in eine Ecke kauern und schämen würde, weil ich wieder mal versagt habe.
Doch was, wenn der Schatten wieder in mich kriecht?
Funktioniere ich dann auch über einen langen Zeitraum?
Kann ich ihn damit vielleicht sogar fast gänzlich überwinden oder breche ich irgendwann unter dem Druck zusammen, weil sich der Schatten mit einem Leistungsalltag nicht vereinbaren lässt?

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