Es wirft mich immer wieder aus der Bahn, wenn ich nach langem wieder eine der Serien sehe, die ich bereits als Jugendlicher gerne sah und dann feststelle, dass ich nun schon „aufgeholt“ habe und bereits in dem Alter der Darsteller in dieser Serie bin. Es ist seltsam, weil ich vor paar Jahren noch jede Woche diese eine Serie sah und in meinem Kopf dachte: „Ach, das verrückte Leben der Erwachsenen… Na, ich hab ja noch einige Jahre, bis ich so alt bin wie die. Und bis dahin hab ich ja auch dann schon einiges erreicht!“ Simple ausgedrückt, ich hatte noch dieses freche jugendliche Denken „Die sind ja aaaalt. Voll uncool, nicht meine Wellenlänge…“.
Als ich 2015 bis Anfang 2016 den Führerschein machte, wirkte ich noch so jung, dass der Fahrlehrer und alle in dieser Fahrschule dachten, ich würde noch zur Schule gehen und meine Eltern würden mir die Fahrstunden bezahlen. Und seit nun bald 2 Jahren siezen mich Kinder auf der Straße.
Es ist nicht etwa, weil ich einen ungesunden Lebensstil habe und deshalb so rasch alterte, sondern weil meine Veränderung einen großen Sprung im Zeitraum von 2013 bis 2016 machte. Nur drei Jahre und ich werde anders ein klassifiziert, weil sich mein Körperbau, der Bartwuchs und der Haaransatz minimal verändert haben. Schon seltsam…
Ich habe keine Referenzen zum Alter. Wenn Leute oft sagen: „Langsam merke ich, dass ich nicht mehr so fit, belastbar, etc. bin, wie mit 18…“ denke ich bei mir „Ich habe solche Werte gar nicht.
Ich war entweder völlig erschlagen von den Depressionen, Traumata Aufarbeitung oder den Psychopharmaka, die ich phasenweise erhielt, dass ich niemals ‚fit, wie mit 18‘ war. Außerdem bin ich teilweise jetzt fitter und aktiver, da ich 1. die depressiven Phasen schneller überwinden kann und dadurch mehr Zeit für Hobbies habe und 2. weil ich als 18 jähriger eigentlich nicht viel gemacht hab- vor allem Party und so ein Lifestyle begann bei mir erst nach und nach mit 21. Mit 22 dann waren die Depressionen jedoch wieder so heftig und ich geriet in meine bisher größte Lebenskrise, dass diese „Jung sein“ und die Unbeschwertheit schnell wieder wich und ich mich teilweise wie ein 100 jähriger, Lebensmüder Mehlsack fühlte. Und dann verlor ich ohnehin einige Jahre (demnach fühle ich mich jünger, als ich eigentlich bin) mit einem nervenaufreibenden Genesungsprojekt, Operationen und meiner Identitätsfindung. Dies dauert bis 2014/ 2015 und erst seit ca. 1 ,5 Jahren fühle ich mich da angekommen, wo ich eigentlich schon als Jugendlicher hätte stehen müssen/wollen.
Subtrahiert der der Jahre, die ich an jenes Projekt verloren habe, wäre ich jetzt eigentlich erst zwischen 18-20 oder knapp drüber. Ok, ich bin zwar immer noch in den Zwanzigern, gehe aber auf ein Alter zu, wo eine Stufe zu einer völlig neuen Lebensform, einem neuen Lebensgefühl und der Schublade, in die man von der Gesellschaft gesteckt wird grundsätzlich anders sind.
Es fühlt sich wahnsinnig komisch an, wenn Freunde/Bekannte über ihre „verlorene“ Jugend sprechen, die aber Party gemacht haben, gereist sind, eine Ausbildung abgeschlossen haben und nebenbei noch Jahre mit One-Night-Stands und anderer Verrücktheiten, die man in der Jugend ausprobieren darf verbrachten.
Ich war nie verrückt. Nicht verrückt auf die lustige Weise. Ich verbrachte einen Monat auf der Akutstation, weil mich mein Leben erdrückte. Grübelte Tag und Nacht über den Sinn des Lebens und die Tragödie dieser Welt, anstatt einfach den Moment zu genießen und mein Leben auszukosten.
Und wie man an dem Text sofort erkennt, ich tue es ja nicht mal jetzt. Auch jetzt lebe ich in einer völlig anderen Zeit und einer Emotion, als jene, die eigentlich jetzt gerade wäre.
Als Kind unterhielt ich mich immer mit den Erwachsenen, wollte einer von ihnen sein und mit 18 schon beschrieb ich meine Seele als „uralt“. Und nun ist es andersrum. Ich gehe in einen Club und frage mich, wie alt ich wohl auf die Leute hier wirke und ob ein 18 jähriges Mädchen ein Gespräch mit mir ablehnen würde, weil ich ja „schon alt“ bin.
Durch das ~ Jahre lange Projekt bildete sich eine Scheide zwischen meinem vorigen ich und meinem heutigen ich und es ist mir bislang unmöglich, endlich schnell genug mit zu wachsen.Vor dem Projekt war ich körperlich nicht in der Lage, einfach so mal eine Nummer in einem Club zu schieben und seit Beendigung des Projektes, wo es mir möglich wäre, bin ich in einer Beziehung und auch sehr glücklich darüber. Ich bin sehr verliebt und treu und will keine andere Frau mehr in meinem Leben. Aber dadurch konnte ich mich danach nicht mehr „austoben“, schauen wie ich auf Frauen wirke, herum flirten, eventuell bedeutungslosen Sex mit einer fremden haben oder einfach mal über die Stränge schlagen und sagen: „Ich war jung und dumm.“
In diesen paar Jahren kam ich von „Es ist cool ein Single zu sein“ in das Alter, von dem man eher „Es ist eine Schande jetzt noch Single zu sein“ und bin in der glücklichen Lage in einer stabilen Beziehung zu sein. Jedoch wurde daher nichts mehr mit „ausprobieren und austoben“ und ich bin offiziell in einem Alter, wo man sagt „Nun denk mal langsam an heiraten und Familie gründen.“
Und dann verfliegt die Zeit ja wieder so schnell, dass man sich anderer „Altersgemäßen“ Erfahrungen beraubt fühlt.
Ich hatte keine Jugend, meine Depressionen, die Medikamente und mein großes Leid haben sie mir geraubt. Ich fühle mich so oft, als wäre ich vor wenigen Jahren aus einem Ei gepellt worden, mit paar groben Erinnerungen versehen worden, damit auch ich die Illusion lebe, eine Vergangenheit zu haben und auf eine Platte einer Modellwelt gesetzt worden, wo ich nun wieder paar Jahre verstaube und dann re-set-ed werde und mich anschließend sofort einfügen muss.