X- der tyrannische “Vater”, den ich nie hatte

Wo soll ich da anfangen?
Wenn ich mal den Kontakt zu jemandem (vor allem in der Familie, wo ich mir ALLES gefallen lasse, aber es dennoch nicht übers Herz bringe den Kontakt zu ihnen zu drosseln), dann hat das wirklich massive Gründe.
Nun ja, X ist die erste und somit älteste leibliche Tochter meine Pflegemutter.
Soweit ich von Erzählungen erfahren habe, hatte sie schon immer eine eigenartige Art, aber warum dies so ist, weiß ich nicht. Vielleicht allein durch die Erziehung?
Sie war ein Kind/ Jugendliche, die nicht viel auf Schule und lernen gab, sondern wechselte die Schule, sobald ihre Freundinnen wechselten und es wurde ihr auch durch gelassen.
Statt zu lernen, ging sie Abends oft aus, auch unter der Woche und blieb bis in die frühen Morgenstunden in der Disco- das schon mit 14. Mutter erzählt oft, dass X es liebte, mit Männern zu spielen, schon als junges Mädchen, dass sie gerne Miniröcke und enge Jeans trug, sich in Diskotheken Männer aufriss und (jetzt kommt das skurrile: Mutter war mit ihr mit in der Disko) wenn ihr diese Männer doch nicht sympathisch oder interessant genug waren, gab sie sie an Mutter weiter.
Die beiden gingen viele Jahre gemeinsam in die Disko, in Clubs und Lokale. Wenn X traurig war, war Levis Jeans etc. shoppen angesagt. Auch ich bekam noch mit, dass sie ständig ihre Freunde wechselte. Freundinnen hatte sie eigentlich keine, nur ständig wechselnde Sexualpartner, mit denen sie mich oft alleine lies. Eigentlich auch sehr seltsam.
Als ich 16 war erfuhr ich, durch zufälliges mitlauschen, dass X mit 16 in eine katholische Kirche gehen wolle, weil ihre anderen Freundinnen das auch taten und sie dort prompt wieder abbrechen musste, weil sie schwanger wurde. Nach der Hauptschule begann sie zu arbeiten.
Ich erinnere mich, dass sie immer sehr streng war. Sie war wie der gefürchtete Vater, den ich nie hatte. Immer machte sie mir die Hölle heiß, teilweise ohne ersichtlichen Grund.
Sie flüsterte meiner kleinen Schwester und mir immer zu, dass wir daran schuld wären, wenn Mutter eines Tages stirbt, weil wir sie so aufregen. Sie nahm mir das Taschengeld weg, das mir Mutter gab (obwohl ich Geld eh nie ausgab, sondern immer nur hortete) und sie klebte mir des Öfteren eine.
Bei einer unserer letzten Begegnungen erklärte sie mir, dass sie zwar nicht Gott sei, aber fast genauso gut! Das war aus jedem Zusammenhang gerissen, aber sie fühlte sich dabei wohl richtig mächtig, als sie sich von hinten an mich heran lehnte und mir dies ins Ohr flüsterte mit langsamer, ruhiger Stimme.  Als ich mit 15 mein allererstes Date hatte, meinte sie, ich solle mein Date doch gleich mitbringen zu ihrer Geburtstagsfeier. Das tat ich auch. Doch ich verlor den Boden unter den Füßen, als sich X zu uns setzte und zu meinem Date plötzlich sagte: „Also ICH würde mit dem da nix anfangen!“
Sie mit geschocktem Blick: „Wieso denn bitte nicht?“
X: „So halt, wirst schon noch drauf kommen.“
Das Date war erstmal sabotiert, ich fühle mich furchtbar. Wie erklärt man einer fremden Person, dass die eigene Schwester so etwas einfach nur aus Bosheit sagt und nichts Abartiges an einem ist, was solch eine Warnung rechtfertigen würde.
Irgendwann begann sie eine Therapie und drehte dann so durch, dass sie uns mehrmals täglich anrief, uns aber alle „Siezte“, als wären wir fremde. Sie wollte sich distanzieren, rief aber trotzdem andauernd an, um uns damit zu quälen. Sie heulte Mutter ins Telefon, dass sie sich vernachlässigt fühle (bitte damals war sie fast 30!). Eine 30 Jährige Frau, die in einer Partnerschaft ist und mehrmals täglich Mutti anruft, um ihr vorzuwerfen, dass sie heute vernachlässigt wäre, nur weil die Mutter eventuell gerade etwas mehr Kraft für ein 15 Jähriges Kind und deren kleine, geistig behinderte Schwester aufbringen muss)!
Von da an war Mutter nicht mehr wie früher. Sie war aggressiv, sofort überfordert mit uns, schlug, würgte und trat meine kleine Schwester, schrie mir ins Gesicht, schrie allgemein immerzu so herum, dass ihr Adern in den Augen platzen und machte uns für all ihre Zustände verantwortlich. Wir waren Schuld, wenn sie einmal keinen Appetit hatte, sie warf volle Teller quer durch die Wohnung, Aschenbecher und Türen. Wir lebten zu Dritt in einer zwei Zimmer Wohnung. Meine kleine Schwester und ich teilen uns sehr lange ein Zimmer und hatten nicht einmal Betten, sondern schliefen mit Matratzen auf dem Boden. Es gab keine Heizung und der schwarze Schimmel kroch ca. 1 Meter hoch die Wände hoch. Der Boiler war so kaputt, dass duschen zur Gefahr wurde und die Fenster waren teilweise so undicht, dass die Räume so kalt wurde, dass wir (als wir noch keinen Kühlschrank hatten) darin Butter und Eier lagerten und es „Kühlschrankzimmer“ nannten.
Für die Schule zu lernen war der Horror. Mein Zimmer war ohnehin schon klein. Ca. 2,5 x 3 Meter, dann noch ein kaputter Kasten, Matratze und ein kleiner Schreibtisch. Kein Internetanschluß.
Mutter wollte auch keine Vorhänge, sie fand das „unnötigen Schnickschnack“. Alles wirkte so lieblos in dieser Wohnung. Nirgends fühlte man sich wohl.
Ich weiß, sie hatte kein Geld, aber warum eigentlich nicht?
Sie bekam sehr viel Pflegegeld, erhielt noch Kindergeld und hatte einen 20 Stunden Job. Die Miete der Wohnung war extrem gering (ich glaube knapp 250€) und das Jugendamt bezahlte meiner Mutter mehr Dinge, als sie normal bezahlen würden. Von der Zahnspange bis hin zu Reitstunden für meine kleine Schwester. Zahnspange hätte ich auch gebraucht, aber dafür war scheinbar kein Geld.
Aber für Konzerte war Geld genug da!

Zurück zu X.
Schon als ich ein Kind war, hatte sie ihre Maschen. Ich war ca. 6, meine Mutter war arbeiten und mein andere große Schwester wollte in eine Disco gehen, weshalb ich ab 22 Uhr alleine sein sollte. Doch meine Schwester dachte, dass ich schon schlafe, verabschiedete sich nicht und ging einfach. Ich hörte die Türe und bekam so furchtbare Angst, dass ich laut zu weinen begann und aus dem Briefschlitz der Wohnungstüre um Hilfe schrie. Aufgrund meiner Geschichte, hatte ich nun mal überdurchschnittliche Angst vorm alleine sein. Am nächsten Tag fuchtelte X mit einem Spielzeug vor meiner Nase herum und meinte, dass dies hätte meins sein können, wenn ich nicht so hysterisch gewesen wäre. Ich bekam es dann zwar doch einige Stunden später, aber allein das Gefühl war furchtbar. Ich fühlte mich schon so schuldig genug, dieser Familie eine Last zu sein und ihnen alles zu Schulden und dann wurde ich noch mit Spielzeug erpresst, ich finde, das war nicht fair.
Ihre Betreuung fürchtete ich immer, weil sie mir, wenn ich krank war, zu heiße Ohrentropfen in die Ohren gab, ohne zu testen, ob diese wirklich die richtige Temperatur haben und mich tadelte, wenn ich zusammen zuckte oder sagte, dass es weh tut. Beim Hosen anziehen schaffte sie es nie, dass mir nicht mindestens 3 blaue Flecken zwickte, weil sie das Hosenbein scheinbar nur so fassen konnte.
Als ich EINMAL mit Mutter (nach meiner Matura) in Urlaub war, rief X viele Male an, Mutter hatte das Handy aber nicht mit am Strand genommen und als wir nach 2 Stunden zurück ins Zimmer kamen, hatte Mutter 14 verpasste Anrufe von X. Diese schrie ihr dann ins Telefon, wieso sie nicht erreichbar war für sie, was das solle etc. Aber nicht etwa, weil sie sich Sorgen machte, sondern einfach weil sie es nicht ertragen konnte, dass man FÜR SIE nicht erreichbar war, wenn SIE reden wollte.
Als ich 11 war fuhr meine Mutter mit mir ins Spital, weil ich so heftige Bauchschmerzen hatte, dass wir nicht wussten, ob es nicht der Blinddarm sei. Daraufhin bombardierte mich X mit SMS, dass ich ja jetzt die ganze Aufmerksamkeit habe und wir sie ja alle nicht genug beachten würden bla bla. Und ICH musste sie dann trösten und ruhig stellen… Ich erzählte Mutter nichts von diesen SMS, weil sie ohnehin schon fertig genug war an diesem Tag.

Und als ich 19 war, nahm sie mich beiseite, wollte mit mir in einem Park spazieren gehen und sagte, ich solle meine Freundin in den Wind lehnen. So einfach direkt, dass ich meine Freundin verlassen solle, weil mir diese nicht gut tue. Sehr seltsam. Da muss doch jeder Mensch (gerade Jugendliche) für sich selbst drauf kommen und damals war ich noch glücklich mit meiner Freundin…

Als ich maturierte, lud sie uns „herzlich“ zu einem Essen bei ihr ein. Ich wusste nicht, dass dies nur eine Falle sein sollte. Sie machte mich runter wo es ging. Bis heute hat mir niemand aus meiner Familie „Gratuliere“ gesagt. Von X kam bei jenem Essen ein zynischer Kommentar nach dem anderen:
„Die haben dich nur durch gelassen, weil sie Mitleid mit dir haben!“ „Du hattest nur Glück!“ „Na dann kannst ja jetzt beim Billa anfangen!“ und viele solche Kommentare.
Zu jener Zeit hatte ich eine Essstörung (Bulimie und Magersucht) und war deswegen auch schon länger in Therapie, wovon die ganze Familie wusste.
Als ich ein zweites Stück Kuchen ablehnte, meinte X total gehässig: „Wenn ich so fett wäre wie du würde ich auch nichts mehr essen!“
Und das, wo diese Frau mit 168cm knapp 100 kg wiegt. Wenn ich mich über derartige Kommentare kränkte, zog mich die ganze Familie damit auf, dass ich keinen Humor habe und das so ein Gesicht eigentlich gleich mit einer Tüte verdeckt werden solle und wenn ich weiterhin so drein schaue, ich gehen kann etc.
Damals war das erste Mal, dass ich wirklich  auf stand und ging. Das wurde mir Jahrelang zum Verhängnis, aber ich hatte es durch gezogen. Bis heute werde ich damit aufgezogen, ich sei nur hysterisch und sei deshalb gegangen, weil ich nichts einstecken könne.
X darf austeilen, ohne Ende. Und alle lachen, weil jeder weiß, wenn man etwas dagegen sagen würde, würde man selbst zur Zielscheibe werden. Aber einstecken kann diese Frau nicht. Nachdem sie mich Jahrelang mit einer Sache auf zog, gab ich ihr Konter mit genau ihrem Satz, den ich nur statt auf mich auf sie anwendete und sie war so bitterböse, dass sie alle so fertig machte, bis mich Mutter weinend dazu anhielt, mich bei X zu entschuldigen, damit dieser Terror von X endlich ein Ende nehme.
Als ich mit 15 schwere Krisen entwickelte, stand X vor Mutter und mir, wo wir beide gesenkten Hauptes alle Anschuldigungen entgegen nahmen. Sie meinte, dass man sie vernachlässige, dass Mutter alles falsch mache, dass ich ein graues Mäuschen und ein Hascherl wäre und so weiter. Meine inneren Spannungen waren kaum mehr aus zu halten. Ich stand auf, nahm die Nagelfeile von meinem Schreibtisch und stach mir vor den beiden damit in den Arm (ja, es war reiner Protest und dumm, aber ich war auch noch jung und dumm und obendrein in einem Ausnahmezustand: Übernächtig, Gestört was mein Essverhalten anging, überfordert mit Schule und Partnerschaft, mit Familie und mir selbst und hatte massive Depressionen damals, dass ich nicht mal so recht aus den Augen schauen konnte). Mutter tat nichts, denn ihr Haupt war gesenkt. Und was tat X?
Sie grinste mich nur still an und sagte dann leise: „Fester!“

Dass sie mein Lieblingsshirt einer Nachbarin schenkte, einfach so, weil ihr gerade danach war, brauche ich wohl nicht groß zu erzählen, denn es wäre lächerlich auf so etwas herum zu reiten.
Oft sagte sie mir, ich sollte eigentlich in die Schule wie meine kleine Schwester gehen (eine Schule für Menschen mit psychischen/physischen speziellen Bedürfnissen), denn da wäre ich mit meiner „behinderten Art“ besser aufgehoben.
Mit 16 hatte ich noch Träume, ja auch unrealistische und so träumte ich von einer Karriere als Sänger. In der Schule wurde dies gefördert, denn die Lehrer waren von meiner Stimme und meinem Entertainment begeistert und meinten, dass eine Ausbildung in diesem Bereich hervorragend zu mir passen würde. X zerriss derartige Träume in einer Art, dass es zum Heulen ist. Statt ein ernstes Gespräch mit mir zu führen und mir sanft nahezulegen, mir einen „ordentlichen Job“ aus zu suchen, lachte sie herzhaft über meinen Traum und meinte: „Ja, genau. Auf jemanden wie dich warten die nur! Dich bezahlt man höchstens, dass du aufhörst zu singen!“
Als ich 16 war heiratete sie. Dieser Mann ist wohl der einzige, der sie halbwegs aushält. Obwohl auch hier angeblich oft alles wankt, aber das geht mich nichts an. X erzählt bei jeder Gelegenheit, dass ihr Mann den Magister hat und ruht sich unendlich drauf aus. Ich wollte ihr kurz vor der Hochzeit ein Geschenk überreichen, das meine Freundin und ich gemeinsam von unserem Taschengeld gekauft hatten. Sie rümpfte beinhart die Nase und sagte: „Und was soll ich mit dem Klumpert?“
Sie nahm das Geschenk nicht an. Mutter meinte nur, ich solle das nicht persönlich nehmen, sie sei halt so.
Als ich im Maturajahr war (was schon genug Laster verbarg, oben drein den Tod meines Vater zu der Zeit), befahl mir X, ich solle die Babysitter-Schule machen, damit ich auf ihr Kind aufpassen könne und wir es steuerlich absetzen können. Eigennutzen ohne Ende.
Und wie sie immer lästerte, ich solle aufpassen, dass ich nicht noch dicker werde (obwohl ich immer sehr dünn war, u.a. wegen der Essstörung), jemand der heimlich zu McDonalds ging, in der Öffentlichkeit aber immer behauptete, dass sie ausschließlich Bio und sehr gesund esse.

Als ich 20 Jahre alt war, versaute sie mir ein ganzes Konzert, von einem meiner Lieblingskünstler. Sie nörgelte an dem, wie ich tanzte, an dem wie ich mit sang, wie ich klatschte, an allem und schickte mich drei Mal Getränke holen und als ich das letzte Mal zurück kam, sah sie um sich und sagte: „Oh, da gibt’s Hot Dogs. Geh nochmal und hol mir einen!“
Danach im Auto spielte es „Bad Touch“ im Radio und ich sagte: „Cooles Lied!“ und sie meinte nur:
„Du weißt ja gar nicht, worum es da geht. Da geht’s um Sex und sowas kennst du nicht!“

Dann war einmal dieser echt krasse Vorfall.
Ich muss gerade 16 gewesen sein, meine Mutter hatte eine Operation an den Augen und jemand musste auf meine kleine Schwester aufpassen. Es wäre kein Problem gewesen, auf ein gesundes Mädchen in diesem Alter aufzupassen, aber meine Schwester ist wie gesagt, geistig behindert und hat Anwandlungen, die man so schnell nicht unter Kontrolle bringt.
Also bekamen meine beiden älteren Schwestern die Aufgabe, auf die kleine Schwester aufzupassen.
Sie waren zu zweit, eine von ihnen hatte Urlaub und ich war allein und hatte Schule und Prüfungen. Doch was passierte. Meine kleine Schwester stand plötzlich vor der Türe, weinte wie am Spieß und sagte, sie wäre weg gelaufen. Verdammt, sie war damals gerade mal 10 und hatte eigentlich enorme Angst, alleine irgendwo hin zu fahren, die hat sie bis heute. Ich rief meine Schwester an und fragte, was passiert wäre. Die meinte nur, dass ich sie jetzt haben darf, weil die beiden  keine Lust mehr hätten, mit so einem Fratz etwas zu tun zu haben und dass sie gestritten hätten.
Und X ist jetzt Behindertenbetreuerin, ich meine, wie passt die in diese Branche, wenn sie nicht mal die Geduld für ihre eigene Minderjährige, zurück gebliebene Schwester aufbringen kann, während die Mutter am OP Tisch liegt.
Ich erklärte X am Telefon, dass sie der Kleinen sowas halt ruhig und mit Gelassenheit erklären müsse.
X schrie ins Telefon: „Ooooooh, du toller Pädagoge, dann mach das doch! Viel Spaß!“ und legte auf.
Also hatte ich ein Kind zu betreuen, nicht mal genug Essen für zwei Zuhause und musste am Morgen die Kleine zur Schule bringen und dann selbst in die Schule fahren und an dem einen Tag sogar früher von der Schule heim, um sie abholen zu können.

Vor einigen Monaten hatte ich ein Klassentreffen und es ist unglaublich, an was sich die Leute noch erinnern konnten. Zwei der Mädels fragten mich namentlich nach meinen zwei Schwester und wie es ihnen ginge und dann fragten sie nach jener Schwester, die mich einmal im Schulhof vor allen zusammen geschrien hätte. Ihren Namen wussten sie nicht mehr.
Damals war ich 12 und hatte noch mit Schulkollegen gespielt, bis X endlich da wäre, mich abzuholen. Da sie mich aber nicht gleich sah, schrie sie los und hörte auch nicht auf zu schreien, als ich schon gesenkten Hauptes vor ihr stand und auch nicht als ca. acht Klassenkollegen schon um uns standen.

Als ich dann endlich von daheim ausgezogen war, kaufte ich über ‚willhaben‘ ein paar Möbel und transportierte diese mit meiner Freundin öffentlich nach Hause. Die Wohnung war noch komplett leer, es war ein eisiger November Abend und wir schleppten eine Kommode quer durch die Stadt. Als wir gerade über die Hauptstraße schlürften (10 Minuten Fußweg von der Wohnung), hupte uns plötzlich ein Auto an. Es war X und die andere große Schwester. Sie winkten mit meinem Ersatzschlüssel, lachten und riefen: „Wir sehen uns dann in der Wohnung!“
Sie wussten nicht, dass ich heute in meine Wohnung gehen würde, also wären sie quasi einfach eingedrungen, ohne mir Bescheid zu geben, dass sie das tun würden. Und bei der Kommode half sie uns natürlich nicht. Ich war so wütend und so traurig, dass ich prompt zum Heulen begann und die 10 Minuten Fußweg zu 20 wurden.
Auch damals war Mutters OP-Marathon schon in vollem Gange. Mutter war nach einer ihrer Operationen schon sehr schnell wieder auf den Beinen und ganz wild darauf quer durch die Stadt zum Aschmarkt zu fahren, um Erdäpfel zu besorgen. Ich begleitete sie. Sie kaufe 5 kg Erdäpfel, 1 kg Obst und noch sonstiges Gemüse, Brot und Fleisch und wir hatten beide schon zu schleppen. Als wir langsam Richtung U-Bahn gingen, läutete wieder mal ihr Handy und sie sagte: „Ja X, ich habe alles, außer deine Kipferl, die gab es nicht mehr!“
Die Einkäufe waren also zu 90 Prozent für X! Die hetzte eine alte Frau zum Markt, um Kiloweise für sie einzukaufen? Ein Mensch, der als einziger ein Auto in dieser Familie besaß und zu der Zeit Arbeitslos (oder war sie damals  in Karenz, ich weiß es nicht mehr) war.

Ebenfalls 2012, als ich meinen Suizidversuch verarbeitete und viel reflektierte, hatte ich oft schlaflose Nächte. Ich hörte viel Radio und so hörte ich, dass mein absoluter Lieblingskünstler (der mich allein mit dem Klang seiner Stimme zurück teleportieren kann in meine Kindheit- an die schönen Zeiten aber!) NACH seiner Farewell Tour nochmals als Solokünstler auftreten würde.
Das war Mutters und mein Ding, wir waren auf all seinen Konzerten in Wien. Ich musste da hin. Ich hatte aber kein Geld und hoffte Mutter würde mir dies als verfrühtes Geburtstagsgeschenk zusprechen. Am nächsten Morgen rief ich sie gleich an und erzählte ihr davon und dass ich da unbedingt hin wolle.
Doch Wochen später erzählte sie mir, sie habe zwei Tickets… doch die Tickets waren für sie und X. Warum? X hatte von Mutter erzählt bekommen, dass dieser Künstler wieder auftritt und wollte dort hin, also konnte ich mit Mutter dort nicht hin, da ich sonst X begegnet wäre. Somit hatte die Mutter gewählt. Sie ging mit ihrer Lieblingstochter zu dem Konzert.
Wochen darauf zeigte Mutter mir stolz den Trinkbecher, den sie sich beim Konzert gekauft hatte und erzählte, wie wunderschön es war.
Ich wäre fast geplatzt damals. Oft wundere ich mich, wie beherrscht ich eigentlich immer war, vor allem zu Zeiten der Psychiatrie, wo ich ja massive innere Anspannungen und auch Tabletteneinfluss hatte und dennoch nie vor meiner Familie platzte.

Es ist bis heute so, dass Mutter sich für X entscheidet, wenn die Wahl zwischen ihren vier Kindern steht, aber das ist nun mal so. Dass ich niemals auf einer Stufe mit ihren leiblichen Kindern stehen würde, war mir immer klar. Aber dass nicht mal die jüngere der leiblichen Töchter an diese Stufe ran kommt, ist eher bedenklich. Ein Jahr liegt nur zwischen den beiden.

Mutter erhielt vor knapp einem halben Jahr die Diagnose Krebs und musste sich einem Eingriff an der Lunge unterziehen. Als sie eine Woche vor der OP einen Friseur Termin ausmachen wollte, waren allen Ernstes die Worte von X: „Den brauchst du nicht, das zahlt sich womöglich ja nicht mal mehr aus!“
Bitte, wer sagt so etwas? Wer? Bin ich verrückt? Sehe nur ich das als allertiefste Beleidigung in dem Sein eines Menschen, noch dazu eines totkranken Menschen, der sich noch einen Wunsch erfüllen will in dem Unwissen, ob es sein letzter ist. Das war wohl wieder nur ein ganz lustiger Witz von X, die ja einen ganz charmanten Humor hat. Das schlimmste an allem aber: Mutter lachte über diesen Witz, denn es war ja typisch X und bestimmt nur ein zynischer Kommentar, der im tiefsten inneren gaaaanz bestimmt unendlich viel Liebe und Respekt verbirgt.

Ein Mensch, der zu Größenwahnsinn neigt, zu stolz zu lachen oder freundlich lächeln ist, keine Tiere mag, von sich selbst behauptet, dass seine „Schönheit alle blendet“, andere bis auf Mark und Bein ausnutzt, mit Gehässigkeit Macht aus übt, alles und jeden verachtet und zunichte macht… zu so jemanden konnte ich den Kontakt einfach nicht aufrecht erhalten.

Und doch habe ich gezwungenermaßen immer noch Kontakt zu ihr. Nämlich über das Telefon, welches ständig klingelt, wenn ich mit einem meiner Familienmitglieder unterwegs bin.

Lächerlich wird es, wenn ich mit Mutter und meiner anderen Schwester unterwegs bin. Da läutet dann erst das Telefon von meiner Y-Schwester, die auch erwähnt, dass wir gerade zusammen unterwegs sind, dann wird ungefähr 5 Minuten telefoniert und sobald sie auflegt, läutet Mutters Handy und X ist wieder dran. Unglaublich!
Sie ruft angeblich oft an und schweigt dann ins Telefon, weil sie gar nicht weiß, was sie eigentlich erzählen soll/will. Einfach aus Langeweile oder aus Protest.
Es war schon so oft so, dass es schlichtweg den Eindruck machte, als würde sie mein Treffen mit Familienangehörigen sabotieren wollen. Da weiß sie ganz genau, dass ich Mutter zum Geburtstag zum Essen einlade, die sich dann ohnehin nur 2 Stunden Zeit nimmt und dennoch ruft X in dieser Zeit bis zu 7 mal an und tratscht mit Mutter, OBWOHL sich die beiden erst am Vormittag gesehen hatten und sich morgen, zum eigentlichen Geburtstagsessen, wo sie dann alle (außer mir) zusammen kommen, wiedersehen werden.
Mutter kam mal vom einwöchigen Urlaub mit X und dem ganzen Rest der Familie zurück, X setzte sie vor der Türe ab und fuhr Heim und 10 Minuten später rief X an, die nun auch daheim war und tratschen wollte.

  • Nun noch ein paar abschießende Worte zu dem ganzen *Mutter und Vater ehren* und *X* Kapitel:
    Mir ist durchaus klar, dass ich hier regelrecht gelästert habe über diese Personen.
    Normal liegt es mir fern in veröffentlichten Texten über Menschen zu urteilen und sie derart negativ zu schildern, jedoch musste ich jetzt endlich mal aussprechen, was ich nun schon seit Jahrzehnten für mich behalten habe und nie jemandem anvertrauen konnte, weil ich es eben nicht gut heiße, wenn man so derart über Familienmitglieder spricht.
    Vor allem meiner Mutter zolle ich auch sehr viel Respekt und Dankbarkeit, dass sie mich genommen und großgezogen hat. In diesem Abschnitt zählte ich bloß auf, was mich an ihr stört oder was mich von Kindheit an beeinflusste. Ich gebe ihr weder die Schuld an dem, was ich nun bin, noch ist das alles was ich über sie zu sagen habe. Ich könnte einen ebenso langen Text, wenn nicht noch länger über sie verfassen, was sie alles für mich getan hat und wie sehr ich zu ihr auf blicke! Und dieser wird auch noch folgen.
    Ich empfinde Scham für meine beiden oberen Texte, aber dies ist kein Blog, in dem ich etwas schön reden will oder auf meinen Eindruck auf andere achte. Das oben genannte ist die pure Wahrheit und kann teilweise auch von Augenzeugen bestätigt werden, dass tatsächlich ein derartiger Terror von gewissen Personen zu gewissen Zeiten an gewissen Orten ausging. Damit spreche ich diesen Menschen aber keineswegs positive Eigenschaften ab. X ist eine hervorragende Behindertenbetreuerin geworden und leistet viel in ihrem Job. Sie hat ganz sicher auch positive, liebevolle Seiten als Betreuerin, Mutter und Ehefrau an sich. Jedoch kenne ich diese Seiten nicht und kann darüber nur mutmaßen. Daher hab ich mir erlaubt, über Mutter und meine Schwestern all das zu erzählen, was mich derzeit bedrückt und traurig stimmt, weshalb der Schwerpunkt in diesen Texten auf Klagen, Schimpfen und Lästern liegt. Ich bitte um Verzeihung!

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