Ich habe nun bald ein Alter erreicht, in dem man auf ein Stückchen bisheriges Leben zurück blickt und sich nach seinen erreichten Zielen und erfüllten Wünschen erkundigt. Man reflektiert darüber, was man geschafft oder noch nicht geschafft hat. Was man vielleicht nicht mehr schaffen wird, weil man dafür nicht mehr im „richtigen“ Alter ist und was sich noch wunderbar ausgeht.
Für meine tragische Vergangenheit, habe ich eigentlich sehr viel erreicht. Wahrscheinlich mehr, als ich mir je realistisch hätte wünschen können. Vor allem in den letzten paar Jahren und dem bisherigen Jahr 2018 habe ich auch die höheren Ziele erklommen und es haben sich positive Veränderungen eingestellt.
Dafür habe ich durch Krisen und Traumaaufarbeitung einige Jahre zuvor auch einiges einbüßen müssen. Das Paradebeispiel: Eine Ausbildung. Außer Matura habe ich noch nichts in dem Gebiet erreicht und habe auch noch sehr wenig Arbeitserfahrung bzw. noch gar keinen gelernten Beruf.
Bisschen Masseurwissen, Ernährungslehre und Schauspiel/ Gesang und Kellnern ist von allem ein bisschen zu wenig, um darin Profi zu sein und etwas daraus zu machen.
Gleichaltrige, mit denen ich verkehre, haben alle samt bereits eine fertige Ausbildung und einen mehr oder weniger gut bezahlten Job. Aber dafür haben sie einige andere Dinge noch vor sich.
In einer solch kleinen, engen Stadt wie hier haben viele Menschen den Führerschein, in meinem Freundes- und Familienkreis aber keiner ein Auto. Das habe ich dafür (wenn auch nur ein PS-schwaches, altes Auto, aber es fährt und das ist Luxus!). Auch sind einige Singles in meinem Bekanntenkreis, die verzweifelt nach einem/r Partner/in suchen und Familie gründen wollen.
Auch diesen Stress habe ich glücklicherweise nicht, weil ich seit 4 Jahren eine gefestigte, sehr innige und ehrliche Beziehung mit meiner Freundin genieße.
Meine Wohnung ist zwar nicht die größte, aber sie ist sehr schön und nun auch schon Großteiles modern eingerichtet.
Und obendrein haben wir Mitte Mai 2018 unerwartet einen Tipp bekommen, von einem alten Päärchen, welches ihr Ferienhäuschen + Garten mitten in der abgelegenen Natur günstig verkaufen wollte. Das ermöglichte uns nun endlich die Chance, ein Fleckchen Erde außerhalb der Stadt für uns nutzen zu können und endlich mal abzuspannen. Das haben wir uns gemeinsam finanziert und die Erhaltungskosten sind sehr günstig. Unter normalen Umständen hätten wir uns solch ein Häuschen niemals leisten können. Zumindest nicht, bevor wir 40 oder älter sind.
Und seit knapp 2 Monaten arbeite ich in der Einrichtung, finde mich bislang sehr gut mit dem Arbeitsalltag und den sozialen Kontakten zurecht und gehe nun erstmals (seit der Schulzeit und meinen zwei Studentenjobs) regelmäßig einer Beschäftigung nach.
Mein lang erarbeitetes Ziel, welches ich in diesem Blog nicht bearbeite und auch privat halten möchte, hat mich ca. 2 – 3 Jahre gekostet, um es zu erreichen. Auch das ist ein Zwischenschritt, den milliarden anderer Menschen gar nicht erst gehen müssen. Ich schon und auch das ist ein Grund, dass ich „karieremäßig“ anderen ein paar Jahre hinten nach bin. Aber so gesehen ist es ok, denn ich hatte eine lange, anstrengende Reise zu machen und allein, dass ich diese geschafft habe ist schon ein Erfolg.
Und dann allein die Traumabewältigung.
Diese begann bereits vor der Pubertät und wird sich wohl mein ganzes Leben hin ziehen, aber ich komme dem Ziel immer näher, völlig normal damit umgehen und leben zu lernen.
Ich meine, ich wurde als Säugling misshandelt, alleine gelassen, Kopfüber in Wasser getaucht und mit Kaffee genährt, war bei den brutalen Streitigkeiten meiner Eltern dabei und war im Heim.
Dann hin und her zwischen Pflegemutter und leiblicher Mutter und letzten Endes ganz bei der Pflegemutter. Dort kam auch irgendwann die Zeit, wo es Horror wurde, durch die kleine behinderte Schwester, Mutters cholerischer Art, die immer schlimmer wurde und meinen schlimmer werdenden Problemen in der Schule, Mobbing, den Besuchkontakten zum kranken Vater, seinem Tod, als ich ihn am meisten brauchte und dann auch noch meine abnormen Partnerschaften mit Menschen, die mich nur ausnutzten. Falsche Freunde, die dasselbe mit mir taten. Meine psychischen Probleme in der Pubertät und die Tonnen an Medikamenten, die mir eingeflößt wurden, die mich zu einer leeren Hülle machten und mich in selbstverletzendes Verhalten und Essstörungen trieben. Und zu guter Letzt dann auch noch das Beziehungsaus und das völlig allein sein in der frisch bezogenen, leeren Wohnung und das zeitgleiche erkennen, dass es sich Ausbildungsmäßig weder finanziell noch nervlich ausgeht.
All das hab ich nicht nur überlebt, sondern bin noch recht sauber daraus hervorgegangen.
Sozialarbeiter haben mir so oft erzählt, dass sie Kinder mit ähnlichen Fällen in ihren Akten haben, die heute aber ohne Schulabschluss und schwer Drogensüchtig oder gar kriminell sind, weil sie ihre Geschichte schlichtweg zerfressen hat.
Nach meinen Vorstellungen, habe ich (bis auf paar Dinge) bereits alles erreicht, was ich für mich persönlich erreichen wollte.
Was mir noch fehlt, sind Luxus-Wünsche und Verrücktheiten.
Und eben der eine richtige Job, der mich erfüllt.
Was ich in meinem Leben noch gerne machen würde ist:
Die Küche renovieren/ schön einrichten,
Den Segelschein machen,
Einen Drift-Kurs,
Noch einmal auf ein Festival gehen,
Masters of Dirt und Stomp sehen,
Reisen,
Einen fertigen Song schreiben und
Meine Autobiografie zu Ende bringen und einsenden,
Ein Video a la „Jackass“ drehen,
Vielleicht ein Graffity an die Wand sprühen,
Diverse Lokale, Bars etc besuchen,
und natürlich:
Um die Hand meiner geliebten Freundin anhalten.
Wenn ich vor ihr auf die Knie gehe, so will ich bereits einen gesicherten Job haben, in dem ich mir nach Möglichkeit einen Namen gemacht habe und mich wohlfühle.
Diese Liste ist allein seit Beginn 2018 deutlich geschrumpft, weil ich schon einiges von „Die To-Do-Liste“ erledigt habe. Damals war ich deprimiert und schrieb einfach in diesem Blog drauf los, was ich denn so gerne alles gemacht hätte in meinem Leben. Traurig klang das alles, als würde ich in 1 Woche sterben. Dann las ich das alles am nächsten Tag nochmals und schrieb all das ab, so wie eingetippt und seit Jänner 2018 mache ich nach und nach einen Punkt nach dem anderen und habe riesigen Spaß daran!
Wie in „Hochsensibilität“ beschrieben, ist das Finden des richtigen Berufes für solche Menschen meist besonders schwer. So auch für mich. Erst vor einigen Monaten fiel es mir wie Schuppen von den Augen, als ich erkannte, dass es niemals der Beruf an sich war, der es mir unmöglich machte, ihn langfristig auszuführen, sondern es waren die Menschen und meine empfindsame Art ihnen gegenüber. Ich bin kein offensichtliches Sensibelchen, das sich dadurch äußert, indem es heult, weil es schief angesehen wird. Im Gegenteil, ich bin sogar selbst ein Mensch mit sticheligem Humor und einem Fabel zu kleinen Neckereien. Das gehört zu einer geselligen Runde manchmal dazu.
Es ist jedoch viel mehr das sensitive Reagieren mit innerer Anspannung, Stress oder Frust, wenn zum Beispiel die Komfortzone überschritten wird in der U-Bahn oder im Supermarkt, wenn man grundlos beschimpft wird von einem unhöflichen Kellner oder seiner Meinung nach unfair behandelt wird vom Chef, etc.
Solche Ereignisse empfindet niemand als angenehm, aber bei Hochsensiblen, bei mir, nagt es noch Stunden später an einem. Das loslassen dieser unangenehmen Erfahrung ist beinahe unmöglich. Negative Erfahrungen fressen sich tiefer in die Haut, brauchen länger um zu heilen und es benötigt viel mehr Kraft, um sich davon nicht unterkriegen zu lassen.
Ein Job ist schwer zu verrichten, wenn man jeder Kleinigkeit hinterher hängt und kaum nach kommt mit dem Verarbeiten solcher Ereignisse, die im normalen Alltag geradezu eine Kette bilden.
Bei mir ist es beispielsweise so, dass es mich selbst Tage später noch verfolgen kann und emotional zutiefst berührt (im Moment selber, wie auch Tage später), wenn ich im Park 5 Sekunden lang im Vorbeigehen mit erlebe, wie eine Frau auf einer Parkbank sitzt und weint.
Oder die Frau, die mir vor 1 Woche ihre Handtasche auf meinen Schoß legte in der U-Bahn und mich geradezu von meinem Sitz verdrängte, genauso wie die Frau heute in der U-Bahn, die ihre Haare so wild ausschüttelte, dass sie mir drei, viermal mit ihren strohigen Haaren in den Nacken peitschte, danach laut sprach und lachte, sodass man sie Reihen weiter immer noch hörte.
Dies sind Erlebnisse, die im Moment selbst so furchtbar für mich sind, weil sich ein lauter Gedankenkreis in meinem Kopf einstellt: „Warum tut man sowas? Wieso merkt die das denn nicht? Merkt die es wirklich nicht oder macht die das absichtlich? Wie kann man nur so sein? Ich gebe IMMER auf alle acht und warum passiert mir dann immer sowas? Soll ich was sagen?
„Ich hoffe, du hast einen eigenen Schoß, um deine Tasche abzulegen!?“ sollte ich sagen, „Wieso klatscht du dein grindiges Strohhaar an mir ab?“ sollte ich schreien und sie an den Haaren ziehen! Bla bla.“
Dadurch das erlebte und die Emotionen, die dadurch ausgelöst werden so intensiv wahrgenommen werden, werden auch die „Was wäre wenn“-Szenarien, die man sich bildlich ausmalt immer sehr intensiv und extrem. Natürlich wäre ich niemals frech oder unhöflich zu fremden und schon gar nicht würde ich jemandem die Haare abschneiden, klar. Aber die Vorstellung im Kopf rast und lässt mein Blut kochen, während ich still und klein in meiner Ecke in der U-Bahn sitze und die Situation in 80% der Fälle leidend durchstehe und hoffe ihr bald zu entkommen und nur in 20% der Fälle etwas sage.
Und nur in 5% der Fälle wird mein Ton auch schon mal härter.
Kurz gesagt, allein die U-Bahn Fahrt zur Arbeit kann zu einer solchen Qual werden, ganz gleich wie sehr ich es mit Meditation versuche, sodass ich bereits an 4 Tagen die Woche völlig angespannt zur Arbeit/ zu meinem Termin komme. Aber der Arbeitstag an sich birgt ja die eigentlichen Stresssituationen und Herausforderungen.
Einen Umgang damit zu lernen, es in erster Linie an zu nehmen und in zweiter Instanz einen Lösungsweg dafür zu finden wird meine lebenslange Aufgabe sein. Und vor allem die Zeit jetzt nutze ich, um mich langsam ran zu tasten und schon bald (wenn auch spät) meinen Karriereweg aufzubauen, eine Kurzausbildung und einen Job, in dem ich trotz Hochsensibilität aufblühen kann zu finden und langjährig zu halten…