Ja, diese Menschen gibt es tatsächlich: Sie haben eine tief betrübte Stimmung in den Monaten, wo die Sonne nur vor sich hin lacht. Wenn all die anderen Menschen aktiv und braun werden, die Feierabende am Wasser und auf der Wiese verbringen, vermehrt Sport treiben, die Gefühle in Wallung kommen und „den Sommer ihren Lebens“ zu haben scheinen, sitzt der Mensch mit Sommer Depression Zuhause in seinem Bett, schwitzt unter der Decke und kommt dennoch nicht hervor, um sich abzukühlen. Ich bin so ein Mensch- phasenweise.
In guten Phasen, gehe ich mountainbiken, in der Donau tauchen und spazieren/wandern. Ich genehmige mir mit Freunden einen Cocktail in der Strandbar oder tauche allein die Füße in einen Brunnen. Dafür brauche ich niemanden. Es sind die Momente, wie ich einfach tue, was ich gerade tun will und in denen ich mich unglaublich gut und selbstständig fühle. Mit einem Schreibblock auf einer saftig grünen Wiese, den vorbeigaukelnden Schmetterling beobachtend.
Und dann gibt es die depressiven Tage oder Stunden. Zwischen den guten – und den depressiven Phasen können schlimmstenfalls nur wenige Minuten liegen, der Auslöser banal und lächerlich.
Doch ist der Einbruch dann wieder mal da, sind es immer dieselben Gedanken und Gefühle, die mir den Sommer zum Horror machen:
Alle sind draußen, erleben voll viel und haben Spaß.
Alle rennen sie knapp bekleidet herum, präsentieren ihre schönen Körper.
Jeder/jede hat diesen Sommer einen Sommerflirt.
Ich mag meinen Körper und auch das Geschwitze nicht.
So viele belegen Surf-, Schwimm-, Tauch-, Bogenschieß-, Outdoorkletterkurse,
fahren gleich im Anschluss nach der Arbeit ins Schwimmbad, an den See, in den Park, zu einer Freizeitaktivität, einen Cocktail trinken, spielen Ball auf den Wiesen, grillen, … Egal was, sie sind aktiv!!!
Ich bin im Sommer oft müde. Teilweise liebe ich den Sonnenschein, die Hitze, den gesamten Flair einfach. Aber meistens bereitet mir die Sonne Kopfschmerzen, der schwankende Luftdruck macht mich müde und träge und Allergien quälen mich. Die leichte Bekleidung stimmt mich unsicher in Bezug auf meinen Körper. Durch das viele schwitzen muss ich 1-2-mal täglich mein Shirt wechseln, mein Gesicht glänzt dauerhaft, ich neige zu Pickeln. Die Sonne in den Augen fühlt sich sehr oft sogar mit Sonnenbrille so an, als würde sie meine Netzhaut zerfressen.
Die Parks und Schanigärten sind alle samt immerzu überfüllt, die Innenstadt dampft vor Hitze und Menschengedränge. Die meisten machen Hammer Urlaube im Süden, wo gute Laune, Cocktail schlürfen und hemmungsloses tanzen abends beim Lagerfeuer oder einer Strandparty Tagesprogramm ist.
Und außerdem- ja es klingt egoistisch und fies- hebt der Sommer alle anderen auf ein noch höheres Level, was mich automatisch auf meiner Stufe ganz unten noch weiter von ihnen entfernt.
Als würde mir der Sommer vor Augen führen, dass Menschen eigentlich sehr aktive Wesen sind. Nur ich eben nicht… Es macht mich einsam. Hinzu kommt dann meine Erwartung dem Sommer gegenüber, dass man da ja viel erleben muss, um mit zu halten. Im Sommer wachen alle aus der Winterstarre auf… nur ich scheine ins Koma zu fallen.
Im Winter ist das alles ganz anders.
Im Winter, wenn die Luft klar und dünn ist, gehe ich sehr oft nachts spazieren. Ich liebe es, wenn die Parks und Straßen absolut menschenleer sind und ich ein gemurmelt in meine dicke Jacke durch die Kälte stapfe. Kein Lärm, keine große Party im Gange- so scheint es.
Alles schläft und ist starr vor Kälte. Nur in mir blüht dann eine Hoffnung auf.
Nun darf ICH einmal aufleben, genießen, mich getrieben vom schönen Wetter fühlen.
Alle samt haben sie jetzt die Winter Depression und ich erhasche doch auch einmal ein bisschen Glück. Ich darf aufatmen.
Meine Kleidung verdeckt mich, die Kälte fegt die Menschen von der Straße und der Wind ist alles was man hört. In vielen Momenten des Winters geht es mir richtig gut.
Aber auch der Frühling freut mich. Obwohl er mir sehr schnell auf die Psyche schlägt, weil dann schon die Angst vorm Sommer und dessen überdrehte Menschheit in mir pocht.
Als wären im Frühling plötzlich mehr Paare unterwegs, die sich durchgehend verliebt in die Augen schauen, wie in einem kitschigen Film. Auf den Parkbänken, ja sogar in der U-Bahn wird herum geknutscht, als gäbe es kein Morgen. Woher kommen all diese Paare dann?
Knutschen die im Winter nie, weil die Lippen eingefroren sind?…